Kirche aktuell
100 Jahre Kirchengemeinde Vahlhausen
Das 20. Jahrhundert pochte an die Tür der Zeit. Die Menschen auf dem Lande
waren von schwerer Arbeit belastet. Die Männer – bis auf wenige Ausnahmen
– Bauern und Handwerker, auf Ziegelei oder in anderen Bereichen außerhalb
Lippes beschäftigt. Der Weg nach Detmold war weit, die Straßen verdreckt
und ausgefahren. Zudem gab es keine öffentlichen Verkehrsmittel.
Alle diese Umstände führten zu der Überlegung, dass es wünschenswert wäre,
einen kürzeren Weg zur Kirche zu haben. Wenn die Frauen einmal in der Woche einen schweren Korb mit ihren Erzeugnissen zum Markt getragen hatten,
gehörte schon eine gewisse Überwindung dazu, sich am Sonntag noch einmal
auf den Weg zu machen.
Da ist es nun verständlich, dass man auf den Gedanken kam, im östlichen Bereich der Stadt eine eigene Kirchengemeinde zu gründen und eine Kirche zu
errichten. Zu diesem Zweck versammelten sich interessierte Kreise zu einer
ersten Besprechung, die Pastor Werdelmann aus Detmold einberufen hatte.
Allerdings war man sich über die Notwendigkeit zunächst noch nicht einig,
denn bei vielen galt die alte lippische Ansicht: Das ist doch schon immer so
gewesen, warum also soll man so viel Geld für eine neue Kirche ausgeben?
Dennoch wurde auf dieser Versammlung am 22. November 1897 beschlossen,
eine eigene Kirchengemeinde zu gründen. Zudem kam es über den Standort
dieser Kirche zu Meinungsverschiedenheiten.
Ziemlich schnell wurde als neuer Standort der Kirche das Dorf Vahlhausen in
die nähere Auswahl gebracht, nachdem noch Mosebeck und
Niederschönhagen als mögliche Standorte im Gespräch waren. Damit war ein
erster Schritt getan, der Weg zur tatsächlichen Gründung war aber noch weit
und steinig.
Denn bislang war die Frage, ob eine neue Kirchengemeinde überhaupt sinnvoll
sei, gar nicht so eindeutig in der Bevölkerung geklärt. Viele Menschen
hingen an ihrer alten Gemeinde und Kirche am Detmolder Markt.
Während einer Versammlung im Jahre 1912, zu der der Generalsuperintendent
Weßel Vertreter aus Vahlhausen, Nieder- und Oberschönhagen, Mosebeck,
Biesen und Diestelbruch geladen hatte kam es zu Meinungsverschiedenheiten.
Einmal mehr prallten die Meinungen hart aufeinander und im
Laufe der Diskussion sprachen sich Vertreter der Schulgemeinde Diestelbruch
und der Bauerngemeinde Biesen gegen die Neugründung der Kirchengemeinde
aus. Danach verließen sie unter Protest noch vor der Abstimmung über
den Standort die Versammlung.
Es gab noch weitere strittige Punkte. Während einige die neue Gemeinde ablehnten,
wollten andere, die nicht zu ihr gehören sollten, doch gerne dabei
sein. Dazu folgende Begebenheit: Der Colon Berghahn in Döringsfeld hatte
wegen des weiten Weges zur Kirche einen Antrag gestellt, in die neue Kirchengemeinde
umgepfarrt zu werden. Der Antrag wurde abgelehnt, nachdem
der Generalsuperintendent höchtselbst die in Betracht kommenden Wege in
Augenschein genommen, zu Fuß zurück gelegt und erklärt hatte, dass diese
Strecke wohl zumutbar wäre.
Sodann war die Standortfrage aber doch noch nicht völlig geklärt. Denn zunächst
musste ja ein passendes Grundstück in Vahlhausen gefunden werden.
Das geschah ziemlich rasch, war aber Eigentum der Schulgemeinde Vahlhausen.
Und die, vertreten durch den damaligen Lehrer Deppe, wollte natürlich
nicht gutes Ackerland für den Bau einer Kirche hergeben, wenn es nicht einen
angemessenen Ausgleich dafür gäbe. Es folgte ein langes Gezerre und
zwischenzeitlich sah es so aus, als könne keine Einigung erzielt werden.
Da meldet sich plötzlich Mosebeck zu Wort. Das Dorf will ein Grundstück als
Kirchbauplatz zur Verfügung stellen, mit dem Ergebnis, dass sich nun die
Vahlhauser vehement gegen eine solchen Vorschlag wenden, da der genannte
Platz den Bedingungen nicht entspräche und sie sich – wenn er doch gewählt
würde – unter keinen Umständen beteiligen und sich gegen eine Zulegung
mit allen Mitteln wehren werden.
Schließlich, nach harten aber für ihn sehr fruchtbaren Verhandlungen, willigte
Lehrer Deppe doch in einen Tausch von Grundstücken ein.
Jetzt hätte das Werk also unverzagt in Angriff genommen werden können –
schließlich befinden wir uns jetzt schon im Februar 1913. Hätte, wenn sich
nicht die Ortschaften Diestelbruch und Oberschönhagen mit einer Unterschriftenliste
und Eingabe direkt an das Staatsministerium gegen die Gründung
einer Kirchengemeinde in Vahlhausen gewendet hätten. Als Gründe
werden natürlich die enormen Kosten einer solchen Gründung und dem Bau
eines Gemeindezentrums angeführt. Zwar war zur Gründung neuer Gemeinden
ein eigener kirchlicher Fonds eingerichtet worden, doch ein Teil der Last
trugen auch die beteiligten Ortsgemeinden. Außerdem bestünde überhaupt
keine Notwendigkeit für eine Neugründung, denn die Vorfahren seien ja
schließlich schon seit Jahrhunderten den weiten Weg nach Detmold gegangen.
Das fürstliche Staatsministerium entsprach diesem Protest aber nicht, und so
konnte endlich - auch nach Klärung der vermögensrechtlichen Fragen - die
Kirchengemeinde Vahlhausen gegründet werden.